In Seenot

MS STRALSUND war das erste Motorschiff der Reederei und fuhr im Nordseeverkehr. Es sank am 8. Februar 1957 um 20.10 Uhr vor der englischen Ostküste. Es hatte gegen 16.00 Uhr durch plötzlichen Wassereinbruch Schlagseite nach Backbord erhalten. Es gab damals Bemerkungen, das Schiff habe vor der Ausreise im Hafen von Wismar eine Grundberührung gehabt, die vom Kapitän entgegen der Dienstvorschrift nicht gemeldet worden sei. Unterwegs wä­ren die Schweißnähte gerissen, Wasser sei eingedrungen und habe die Kaliladung in einen Brei verwandelt, die Lenz­pumpen versagten. Das Schiff trieb noch eine Weile, die 27-­köpfige Besatzung ging in die Boote und wurde gerettet.

Dieses Unglück verstärkte die bei vielen leitenden Mit­arbeitern der Regierung vorhandene Ablehnung gegen eine Handelsflotte. Von Beginn an waren solche Stimmen vor­handen, dass man Schifffahrt, Hafenwirtschaft und Fischerei wieder beseitigen solle, um diese Arbeit denjenigen zu über­lassen, die mehr davon verstünden. Andere wollten erst die Einheit Deutschlands abwarten. Die DDR sei nun mal kei­ne Seefahrernation. Die Befürworter einer DDR-eigenen Handelsflotte setzten sich schließlich durch.

Am 19. Januar 1964 verließ KAP ARKONA den Hafen von Antwerpen, um nach Beirut zu laufen. In der Scheldemün­dung nahe dem Feuerschiff WANDELAAR rammte es der nor­wegische Motortanker IDA KNUDSEN im Nebel, gegen 9.34 Uhr sackte KAP ARKONA über den Achtersteven weg. Die 30 Personen der Besatzung wurden gerettet. Im Sep­tember 1966 wurde das Wrack gehoben und verschrottet.

Von den zwölf DSR-Schiffen des Typs IV ging nur die MAGDEBURG verloren. Unter Führung von Kapitän Artur Maul, später Generaldirektor des Kombinats Seeverkehr und Hafenwirtschaft, befand sich das Schiff am 27. Oktober 1964 auf der Ausreise nach Kuba, nachdem in London die Ladung durch 1535 Tonnen Stückgüter und 42 Leyland-Busse für Kuba komplettiert worden war. Auf der Themse, nahe Leuchtfeuer Broadness, erfolgte ein Zusammenstoß mit dem japanischen Frachter YAMASHIRO MARU, wodurch MAGDE­BURG in Höhe der Steuerbord-Brückennock getroffen wur­de. Ehe sie endgültig kenterte, gelang es, das angeschlagene Schiff noch aus dem Verkehrsweg auf eine Sandbank zu brin­gen. Die Besatzung tat in hervorragender Zusammenarbeit alles, um den Schaden zu begrenzen, und befreite noch ei­nen in seiner Kammer eingeklemmten Mann. Alle 57 Besat­zungsmitglieder wurden gerettet.

Die Schiffsführung der MAGDEBURG trifft keine Schuld, hieß es im Spruch der Seekammer. Nach der Bergung verkaufte man das Schiff an einen griechischen Reeder; als es nach Piräus geschleppt wurde, sank es am 18. Dezember 1965 in der Biskaya.

Die KÄTHE NIEDERKIRCHNER lief am 23. August 1965 aus Kuba kommend im Pentland Firth in die Klippen. Der Kapitän war für einen Kurs auf dem Großkreis und damit durch den Pentland Firth nicht vorbereitet. Er fertigte eine »Handskiz­ze« an, nach der navigiert wurde, denn »Decca«-Unterlagen waren für das Seegebiet an Bord nicht vorhanden. So lief das Schiff nach 5.00 Uhr morgens in der Nähe der Insel Muckle Skerry in die Felsen, wurde in Höhe des Maschinen­raums aufgerissen und sank. Die Besatzung konnte sich voll­ständig retten.

Das schwerste Unglück eines DSR-Schiffes war der Unter­gang der FIETE SCHULZE, wie KÄTHE NIEDERKIRCHNER vom Typ X, in der Nacht vom 20. zum 21. September 1967. Sie war mit einer Ladung von 8.000 Tonnen Roheisenmasseln, die vorschriftsmäßig gestaut waren, auf der Reise von Rot­terdam via Panamakanal nach Japan. Um dem gemeldeten Wirbelsturm »Chloe« ausweichen zu können, änderte der Kapitän den Kurs. Es bildeten sich hohe Wellen und Kreuz­seen. Gegen 23.30 Uhr hörte man aus den Laderäumen pol­ternde Geräusche, die Ladung ging über. Als die Besatzung sich bereit machte, in die Luken zu gehen, holte das Schiff weit nach Steuerbord über und blieb bei etwa 60 Grad lie­gen. In diesem Zustand wurde SOS gegeben, die Besatzung ging in die Boote. Als der Kapitän und 17 Besatzungsmitglie­der auf die Backbordwand kletterten, durchschlugen die übergehenden Eisenmasseln vermutlich die im Wasser lie­gende Bordwand und vollendeten das Schicksal des Schiffes. Gegen 1.35 Uhr sank das Schiff auf der Position 45° 33' N/ 10° 15' W. 14 Tote waren aus der 42-köpfigen Besatzung zu beklagen, die Schiffbrüchigen hatten mit ihren Rettungsmit­teln schwere Stunden und Tage durchzustehen, ehe sie von herbeigeeilten Schiffen aufgenommen wurden.

Ein beschädigtes Gummifloß, in dem sich der Bootsmann Fritz Adloff, der Lehrling Wolfgang Mair und die Stewardess Siglinde Ruscher befanden, trieb über 48 Stunden in der to­benden See. Wolfgang Mair kam wie Siglinde Ruscher vom Fracht- und Lehrschiff J.G. FICHTE, weil er und drei weitere Lehrlinge auf dem Schiff das zweite Lehrjahr in der prakti­schen Ausbildung absolvieren sollten. Der Lehrling Detlef Löpke kam in dieser Sturmnacht ums Leben, die drei ande­ren Lehrlinge wurden gerettet.

STUBBENKAMMER sank am 25. November 1967, als sie den Hafen von Rotterdam in Richtung Tripolis (Libyen) verließ. Aufgrund eines Irrtums erkannten der Kapitän und der Erste Offizier ein entgegenkommendes Schiff mit kreuzendem Kurs zu spät. Trotz eingeleiteter Manöver war ein Zusam­menstoß nicht mehr zu vermeiden. So kollidierte STUBBEN­KAMMER um 5.07 Uhr mit dem britischen 39.000 Tonnen­Tanker ZENATIA, sie brach in zwei Teile und sank sofort. Die Besatzung wurde in Sicherheit gebracht, der Steward Paul Sachweh ging mit dem Schiff unter. Die Seekammer ent­schied, dass der Kapitän der STUBBENKAMMER ungenügend auf das Seegebiet eingestellt war und die Ausweichpflicht missachtet hatte. Auch dieses Wrack wurde im April 1968 gehoben und verschrottet.

Auch ein Schiff der 840er-Kümoserie, die CAPELLA, ging verloren, solange diese 23 für die DSR gebauten Schiffe dort fuhren. Der Jahreswechsel 1975/76 war sehr stürmisch. CAPELLA befand sich auf der Reise von England nach Schwe­den, als für den 3. Januar zunehmende Winde bis elf Stär­ken angesagt wurden. Am 3. Januar funkte CAPELLA von der Position 53° 32' N, 05° 23' O einen Hilferuf, das Schiff ma­che Wasser. Um 10.00 Uhr teilte der Kapitän in einem See­funkgespräch der Reederei mit, dass die Ruderanlage aus­gefallen sei, das Schiff quer zur See kam, Rettungsboot sowie Vermessungsluke eingeschlagen seien und acht Grad Schlag­seite vorliege. Trotz des schweren Wetters konnte die Ru­deranlage repariert und CAPELLA in die See gelegt werden. Um 11.00 Uhr erreichte das niederländische Motorrettungs­boot CARLOT den Havaristen, aber die Besatzung gab ihr Schiff nicht auf - sie stieg nicht über. Die DSR-Frachter NIENBURG und LAIDAUE wollten helfen. Als die CAPELLA versuchte, die Reede von Borkum zu erreichen, war es zu spät, es gelang bei der schweren Grundsee nicht, die elfköpfige Besatzung zu retten. Im Seegebiet der Emsmündung nahe der Insel Schiermonnikoog sank das Schiff am Abend des 3. Januar. Am 9. Januar 1976 fand die Trauerfeier in Rostock statt.

Der Tanker BÖHLEN sank am 14. Oktober 1976. Die Ver­handlung der Seekammer zeigte, dass mangelhafte Naviga­tion und inkonsequente Schiffsführung durch Grundberüh­rung bei Sturm (Stärken 8-9 und mit hohen Wellen) den Untergang nahe der Insel Ouessant an der Bretagne-Küste verursachte. Leider werden 24 Angehörige der Besatzung vermisst, nur elf Mann wurden durch den Einsatz besonders französischer Suchflugzeuge und Fischereiboote gerettet.

Aus der Gruppe der Holzfrachter Typ 401 ging ein Schiff verloren. KARLSHORST hatte in Archangelsk Holz geladen und befand sich auf der Heimreise. Am 24. Oktober 1977 passierte man das Nordkap und ging auf Südkurs. Da der Südwestwind auf sieben bis acht Stärken zunahm, wurde die Geschwindigkeit auf neun Knoten reduziert. Als mehrere hohe Wellen das Schiff trafen, so dass es bis 55 Grad nach Backbord krängte, brachen die Backbordstützen der Decks­ladung. Es blieb mit 40 Grad Schlagseite liegen.

Norwegische Hubschrauber und Marinefahrzeuge brach­ten die KARLSHORST in den Nappstraumen-Fjord. Dreizehn Personen der Besatzung verließen sicherheitshalber das Schiff. Am Liegeplatz vergrößerte sich die Schlagseite, ein Werfen der Decksladung und ein Abschleppen in seichte­res Wasser waren nicht möglich. Gegen 1.30 Uhr am 27. Ok­tober sank das Schiff am Liegeplatz. Kapitän und Besatzung hatten ihre seemännischen Pflichten dennoch erfüllt.

Aus der Schiffsgruppe der Framo-Klasse sank MS SEEADLER am 31. März 1978 nach Kollision mit dem sowjetischen Ro­Ro-Schiff INZHENER NECHIPORENKO im Rigaer Meerbusen. Das Schiff befand sich mit 1.075 Tonnen Papier an Bord auf der Heimreise nach Stralsund. An der Eisgrenze entlang lau­fend, nahm die Sicht ständig ab. Trotz angestrengter Radar­beobachtung und eingeleitetem Kurswechsel konnte eine Kollision nicht mehr vermieden werden. Das sowjetische Schiff, für die Verhältnisse zu schnell fahrend, traf SEEADLER an der Backbordseite in Höhe des Maschinenraumes, sie sank sofort über den Achtersteven. Die Besatzung konnte vollzählig in die Rettungsboote gehen. Beiden Kapitänen wurde die Schuld zugesprochen.

Ein Mehrzweckfrachter vom Typ Poseidon ging durch ei­nen feigen Anschlag unter. MS ARENDSEE lag am 30. Juli 1984 mit einer Ladung von 2.782 Tonnen Stückgütern auf der Innenreede von Luanda (Angola) vor Anker, als an der Steuerbordseite in Höhe des Maschinenraumes eine schwe­re Detonation erfolgte, die das Schiff erschütterte und die Feueralarmautomatik auslöste. Die gesamte Energieversor­gung brach zusammen, und der Maschinenraum lief voll Wasser. Fünf Minuten später kam es zu einer zweiten Detonation an der Steuerbordseite in Höhe des Luks II. Außer dem Kapitän und vier Offizieren verließ die Besatzung das Schiff, die fünf folgten später. Ein sowjetischer Schlepper drückte die ARENDSEE in flaches Wasser. Eine dritte Haftmine konnte entfernt und entschärft werden. MS BLANKENSEE übernahm die Ladung. Da sich eine Reparatur nicht lohnte, wurde das Wrack am 5. September auf die See hinausge­schleppt, wo es bei einer Wassertiefe von 530 Metern ver­senkt wurde.

Heimkehrend mit einer Ladung von 32.000 Tonnen Eisen­erz aus Brasilien sank das Massengutschiff HENNIGSDORF ex PONTOS (38.679 tdw) am 19. September 1984 vor der por­tugiesischen Küste. Etwa 140 Seemeilen vor Lissabon trieb es am 18. November mit Motorschaden bei Windstärke 6, als zunehmend Wasser im Laderaum festgestellt wurde. Alle Maßnahmen, das Schiff zu retten, schlugen fehl. In den spä­ten Abendstunden des 18. September versammelte der Kapitän Mannschaft und Passagiere in der Messe und infor­mierte über die Lage. Um 4.13 Uhr wurde der Hauptmotor gestoppt, die Besatzung verließ das Schiff. 5.58 Uhr sank es mit brennender Beleuchtung über den Vordersteven auf der Position 38° 57,1' Nord/10° 32,2' West. Ein bereits 0.34 Uhr angefordertes portugiesisches Hilfsschiff nahm die Besatzung auf. Die Seekammer stellte fest, dass Kapitän und Mannschaft ihre Pflichten vorbildlich erfüllt hatten. Als zusätzliche Siche­rung trugen alle Seeleute und Passagiere die gerade einge­führten Rettungsanzüge.

Von den sechs Massengutschiffen ging eines, die MANSFELD, am 16. Februar 1986 in der Biskaya im Sturm verloren. Unter Ballast nach Spanien laufend entstand bei Windstärken von 6 bis 7 durch einen Kurzschluss in einer unbewohnten Kammer ein Brand. Die Bekämpfung war langwierig und schien erfolglos, der Kapitän übergab seine Besatzung an drei Schiffe, darunter an das DSR-Schiff THALE. Nur der Kapitän, der Politoffizier und der Storekeeper blieben an Bord. Der Brand ließ nach, aber die MANSFELD trieb auf die Küste zu. Schlepper und das Ausbringen der Anker sollten das Auflaufen auf die Küste verhindern. Aber die drei Männer richteten nichts aus, weitere konnten wegen des schlechten Wetters nicht an Bord gebracht werden. So strandete sie. Der Kapitän hatte die Gesamtsituation nicht richtig einge­schätzt und die Besatzung zu zeitig evakuiert.

Als die RUDOLF BREITSCHEID, eines der zu Metallfrachtern umgebauten Typ-X-Schiffe, am 24. September 1988 mit 10.064 Tonnen Metallen trotz Warnung den Hafen von Klaipeda verließ, wurde sie bei schwerem Sturm auf die Mole gedrückt. Hubschrauber bargen die Besatzung ab, einige Tage später brach das Schiff auseinander. Zur Vermeidung von Um­weltschäden pumpte man alle Ölprodukte aus den Tanks ab.