Auszug ab Seite 49:

Wilhelm Behnke und die Amtsstuben

Wilhelms Verhältnis zu den Städtern war nicht besonders gut, aber das zu den Beamten außerordentlich schlecht. Wenn er nur dieses Wort hörte, stan­ den ihm die Haare zu Berge. Für ihn war der Bauer der höchste Stand, das Erstrebenswerteste. Der Bauer war ein freier Mensch auf eigenem Besitz und mit ihm konnte sich keiner messen. Wilhelm ließ sich von niemandem etwas sagen. Erst kam sein Stand, dann alle anderen. Er war stolz und glücklich auf seinem Hof. Dieser hatte mit Wald und dem Torfmoor so an die 68 Hektar. Der Abbau und der Verkauf von Torf waren für Wilhelm eine zusätzliche Erwerbsquelle.

Der Bauer war ein tüchtiger Landwirt. In dieser schweren Zeit der Weimarer Republik gingen sehr viele Bauernstellen in Konkurs. Wilhelm Behnke konnte sich behaupten, er konnte sich und seine Familie ernähren und noch genug Geld zurück legen.

Es war ein schönes Bild, wenn Wilhelm sich von einem seiner Kinder mit der Kutsche nach Schwaan fahren ließ oder wenn er mit seinem Eiken, das war sei Krückstock, zu Fuß diese Strecke zurück legte. Am Mittwoch und am Sonnabend ging er zum Rasieren in die Stadt und danach zu seinem Stammtisch in den "Erbgroßherzog".

Als Wilhelm wieder einmal zum Rasieren zu seinem Stammfriseur Dettmann kam, hatte er noch seine Zigarre im Mund. In dem Laden saß schon ein anderer Kunde, den dieser Auftritt störte. Es war der Bahnhofsvorsteher von Schwaan.

"Kommen die Bauern hier mit dicker Zigarre rein", ließ dieser verlauten, so dass Wilhelm es hören konnte.
Darauf dieser: "Sie sind wohl aus der Stadt?"
"Ja, ja natürlich. Warum meinen Sie?"
"Süss würdens nich soans dämlich räden. Von wägen Bur. Wenn ik denn Stand na in denn Sessel gehüür, denn gehüürn Sei up ein Brettstauhl. Sie kleiner Diener des Volkes."

Der Bahnhofsvorsteher verließ erbost den Salon.

Einmal fuhr Wilhelm Behnke in seiner Funktion als Gemeindevertreter mit noch einem anderen Ratsmitglied, dem Gastwirt Wulf, nach Güstrow. Wegen eines Anliegens wollten sie zum Amtshauptmann Höcker. Natürlich waren sie nicht angemeldet.

Wilhelm klopfte an die Tür des Amtshauptmanns Büro. Statt "Herein" hörte man von drinnen eine Stimme schreien: "Raus!"
Wilhelm stieß die Tür auf.
" „Raus!", brüllte es wieder.
"Wat hüür ik door? Raus? Rinner sech ik, rinner."

Und schon war er in der Amtsstube drinnen.

"Kumm, Wulf, kumm ruhich hier rinner."

Die beiden standen nun vor dem Amtshauptmann.

"Es ist keine Sprechstunde."
"Dat lücht mi nich in."
"Wer sind Sie denn?"
"Ik bünn Bur Behnk ut Wiedendörp und dat is unns Kräuger Wulf"

Sie hatten eine lange Tour von Wiendorf hinter sich und standen immer noch. Vor ihnen waren Stühle und Tische im Raum.

"Herr Amtshauptmann?"
"Ja, Herr Behnke?"
"Wotau hemmen wi de Stäuhl köfft?"
"Wie meinen Sie das, Herr Behnke?"
"Koenen Sei einen olln Buern nich mal ein Stauhl anbeiden? Oder kenn Sei dat nich? Dat is doch allens von unns Stürgelder köfft. Kumm Wulf, nu setten wi uns ierst eens hen. So, Herr Amtshauptmann, nu kant losgahn."

Dem Amtshauptmann hatte es die Sprache verschlagen. Er gab klein bei und hörte sich das Anliegen der Wiendorfer an.

Schlachter Ohmann aus Schwaan und Wilhelm Behnke aus Wiendorf hatten in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 1915 eine Schlägerei. Hierbei muss es ziemlich derb zugegangen sein, denn laut Anwaltschreiben des Klägers Ohmann wurde dieser derart körperlich verletzt, dass er elf Tage völlig erwerbsunfähig und danach nur beschränkt bis Mitte Januar 1916 einsatzfähig war.

Wilhelm hatte eine Vorladung vom Schwaaner Amtsgericht erhalten. Er wurde von dem Richter auf hochdeutsch angesprochen und zum Tathergang befragt. Er antwortete auf plattdeutsch.

"Herr Behnke, können Sie nicht hochdeutsch mit mir reden? Ich verstehe Sie so schlecht."

"Ja, dat kann ik woll, oewers dat will ik nich. So kann ik mi bäder verteidigen. Oewer ein Fraach heww ik? Wat maaken wi in ein Mäkelbörger Lüttstadt mit ein Amtsrichter, de nich plattdüütsch räden kann?"

Die Verhandlung wurde abgebrochen und Wilhelm bekam einen Richter, der platt sprach. Die Schlägerei brachte ihm eine Strafe von 170 Mark ein: 40 Mark für Arzt- und Apothekerkosten, 100 Mark für entgangenen Verdienst und 30 Mark für beschädigte Kleidungsstücke, Gebühren 4 Mark 50 Pfennige.